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Obwohl fast jeder deutsche Haushalt über eine Lebensversicherung verfügt – 2015 waren es rund 91 Millionen Verträge einschließlich 40,5 Millionen Rentenversicherungen – erleben nur wenige Verträge das vereinbarte Ablaufdatum. Die Schätzungen besagen, dass zwischen 30 und 50 Prozent der Verträge vorzeitig aufgelöst werden. Die Branche hüllt sich zu diesen Zahlen in Schweigen.
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Die Stornoquote selbst gibt nur Auskunft über die Zahl der Abgänge im Vergleich zum mittleren jährlichen Bestand, ist damit eher beschönigend:
Stornoquote in Prozent Anzahl1 |
|
2005 | 3,98% |
2007 | 3,83% |
2008 | 4,00% |
2009 | 3,86% |
2010 | 3,60% |
2011 | 3,49% |
2012 | 3,48% |
2013 | 3,32% |
2014 | 3,14% |
2015 | 2,86% |
1 vorzeitiger Abgang bezogen auf den mittleren Jahresbestand, jeweils Anzahl der Verträge, Quelle: GDV
Die Gründe für die vorzeitige Auflösung sind immer die Gleichen:
- Unzufriedenheit mit der Wertentwicklung
- Zulange Laufzeit
- Liquiditätsbedarf
Rückkauf – die falsche Entscheidung
Immer noch zu viele Verbraucher begehen allerdings den großen Fehler, ihren Vertrag zurückzukaufen. In den meisten Fällen liegt der Rückkaufswert unter der Summe der eingezahlten Beiträge. Je länger die Vertragslaufzeit ursprünglich vereinbart war, um so weiter nach hinten verschiebt sich der Zeitpunkt des Erreichens der Gewinnzone. Die Gründe dafür liegen bei den Abschlussprovisionen, den Einrichtungskosten für den Vertrag sowie die laufenden Kosten für die Vertragsverwaltung und die Beitragsbestandsprovision für den Vermittler. Die Abschlussprovisionen bei Lebensversicherungen belaufen sich, trotz offizieller Deckelung, um die vier Prozent auf die gesamte Beitragssumme. Die Beitragsbestandsprovision beträgt in der Regel zwei Prozent des gezahlten Jahresbeitrags.
Sinnvoller als ein Rückkauf ist die Beitragsfreistellung, sofern das Geld nicht benötigt wird. Alternativ bietet sich bei Geldbedarf ein Policendarlehen oder der Verkauf der Police an.
Was hat es mit dem Widerruf auf sich?
Wer sich von seiner Lebensversicherung trennen möchte, aber Verluste vermeiden will, sollte zunächst das Abschlussdatum prüfen. Lag der Vertragsabschluss in der Zeit zwischen dem 29. Juli 1994 und dem 31.12.2007, hat der Versicherungsnehmer gute Chancen, dass der Vertrag rückabgewickelt und er sogar noch eine Entschädigung erhält.
Der Grund liegt dabei in der Widerrufsbelehrung. Die deutsche Versicherungswirtschaft hat in dem oben genannten Zeitraum den Fehler begangen, ihren Kunden entweder keine oder nur fehlerhafte Widerrufsbelehrungen zur Verfügung zu stellen. Der Vertrag selbst wird aber erst mit Aushändigung einer formal korrekten Widerrufsbelehrung rechtskräftig. Mit anderen Worten, viele Verträge aus dieser Zeit sind schlicht ungültig (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 7. Mai 2014 (Az. IV ZR 76/11). Diese Lebensversicherung kann man rückabwickeln.
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Was bedeutet das für den Versicherungsnehmer?
Zunächst einmal hat der Versicherungsnehmer das Recht, den Vertrag wegen eines Formfehlers zu widerrufen und seine gezahlten Prämien zurückzufordern. Da das Versicherungsunternehmen für die Dauer der Beitragszahlung mit den widerrechtlich erhaltenen Geldern arbeiten konnte, steht dem Versicherungsnehmer darüber hinaus eine Zinsentschädigung für diesen Zeitraum zu.
Dennoch kann es bei Lebensversicherungen dazu kommen, dass der Versicherungsnehmer nicht den vollen Betrag der gezahlten Beiträge zurückerhält. Der Beitrag splittet sich in einen Sparbeitrag und die Risikoprämie auf. Einige Gerichte argumentieren, dass der Versicherungsschutz trotz eines fehlerhaften Vertrages bestanden hätte und die Versicherer bei vorzeitigem Ableben der versicherten Person geleistet hätten. Die Risikoprämie dürfe also von den zurückzuzahlenden Beiträgen nebst Zinsen einbehalten werden.
Ansprüche prüfen
Zunächst einmal sollte jeder Versicherungsnehmer prüfen, wie hoch seine Ansprüche für eine Rückvergütung ausfallen. Grob formuliert, je näher das Abschlussdatum am 31.12.2007 liegt, um so rentabler könnte ein Widerruf sein. Versicherungsnehmer sollten aber nicht vergessen, dass die Verträge aus den 90er Jahren auch bei einer Beitragsfreistellung mit einem für heutige Verhältnisse hochattraktivem Garantiezins ausgestattet sind. Die Verbraucherzentrale Hamburg stellt für eine grobe Schätzung der Rückzahlungsansprüche im Rahmen ihres Internetauftritts einen kostenlosen Rechner zur Verfügung.
So haben sich die Garantiezinsen für den entscheidenden Zeitraum entwickelt:
ENTWICKLUNG DES GARANTIEZINSES BEI KAPITALLEBENSPOLICEN
Vertragsabschluss | Garantiezins in Prozent |
Bis Juli 1986 | 3,00 |
Ab Juli 1986 | 3,50 |
Ab Juli 1994 | 4,00 |
Ab Juli 2000 | 3,25 |
Ab Januar 2004 | 2,75 |
Ab Januar 2007 | 2,25 |
Quelle: Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GdV), Stand April 2009
Der zum Vertragsabschluss gültige Garantiezins bleibt für die gesamte Vertragsdauer festgeschrieben. Für Neukunden mit Neuverträgen ab dem 1. Januar2017 bedeutet dies eine traurige Größe von 0,9 Prozent pro Jahr.
Auch für langfristige Spareinlagen mutet ein garantierter Zinssatz von vier Prozent pro Jahr aktuell wie Utopie an. Selbst bei Festgeldern mit einer Laufzeit von zehn Jahren bietet das Gros der Anbieter im Mittel nur 1,5 Prozent Zinsen pro Jahr.
Wie gehe ich bei einem Widerruf vor?
- Im ersten Schritt muss der Versicherungsnehmer prüfen, wann der Vertrag geschlossen wurde.
- Im zweiten Schritt muss er klären, ob er überhaupt eine Widerrufsbelehrung erhalten hat. War dem so, sollte ein Fachanwalt oder der Verbraucherschutz diese auf mögliche Fehler abklopfen.
- Besteht ein Rückerstattungsanspruch, muss dieser nun geltend gemacht werden. Die Verbraucherzentrale Hamburg stellt dafür gegen einen Beitrag von 90 Cent ein Musterschreiben als Download zur Verfügung.
- Viele Versicherer lehnen einen Einigung ab. In diesem Fall können sich die Versicherungsnehmer an den Versicherungsombudsmann in Berlin Alternativ hilft ein Fachanwalt oder die Verbraucherzentrale.
Fazit
Der vom Bundesgerichtshof festgestellte Anspruch auf rückwirkende Aufhebung einer Lebensversicherung durch den Versicherungsnehmer will gut geprüft werden. Was auf den ersten Blick vorteilhaft klingt, kann auch nachteilig sein.
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